Die NS-Zeit in Geinsheim

Geinsheim war in der Weimarer Republik eine "Zentrums-Hochburg", dominiert vom katholischen Zentrum und der Bayerischen Volkspartei (BVP). Trotzdem erlangte auch die NSDAP gegen Ende der Weimarer Republik verstärkte Unterstützung im Ort. Bei den Reichstagswahlen im März 1933 entfielen fast 25 Prozent der Stimmen auf die NSDAP. Im benachbarten Duttweiler waren es ca. 60 Prozent, in Lachen-Speyerdorf fast 70 Prozent und in Gommersheim fast 80 Prozent.

Obwohl die NSDAP in Geinsheim prozentual weniger verankert war als in den benachbarten Orten, prägte auch dort zwischen 1933 und 1945 der Nationalsozialismus das lokale Geschehen. Zwar gab es in Geinsheim keine NSDAP-Ortsgruppe, dennoch engagierten sich Bürgerinnen und Bürger in der Partei. Die Politik der Partei mit ihrer Menschenverachtung und Antisemitismus fand auch im Ort Zustimmung und bot zudem Möglichkeiten, das eigene Interesse in die Verfolgung anderer einzubringen.

Einige Geinsheimerinnen und Geinsheimer schreckten nicht davor zurück sich offen am Ausschluss ihrer Nachbarn und Nachbarinnen, die aus antisemitischen Gründen verfolgt wurden, aktiv zu beteiligen, ihnen offen zu drohen und sich etwa an den Novemberpogromen in Geinsheim und den umliegenden Dörfern zu beteiligten. 

Am 9. November 1938, dem Tag der Reichspogromnacht, beteiligten sich zwei Bürger aus Geinsheim aktiv an der Zerstörung jüdischen Eigentums in Haßloch. Laut Aktenlage war einer von ihnen mit einer Axt bewaffnet. Gehen wir nach seinen eigenen Aussagen, dann war er auch an der Zerstörung der jüdischen Schule und der Synagoge in Geinsheim beteiligt. Beide Geinsheimer wurden wegen ihrer Taten verurteilt - schwerer Hausfriedensbruch und Landfriedensbruch, sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ihre Strafe: mehr als ein Jahr Gefängnis. Aber keiner von beiden hat tatsächlich jemals seine Strafe verbüßt. Aufgrund einer umfassenden Amnestie des Bundes am 31. Dezember 1949 entgingen sie dem Gefängnis. 

Quelle: Landesarchiv Speyer - J72 - 341

Im Laufe der Geschichte von Geinsheim wurden die jüdischen Einwohner aus antisemitischen Gründen zunehmend aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen. Der Höhepunkt dieser Entwicklungen war November 1938, als die Synagoge, jüdische Schule und Geschäfte im Dorf verwüstet und Juden misshandelt wurden. Wer als Jude nicht "freiwillig" den Ort verließ wurde schließlich im Oktober 1940 deportiert. Den hinterlassenen Besitz übernahmen oft nicht-jüdische Einwohner.


Unsere Aufgabe ist es nun, an ihre Verfolgung und Ermordung zu erinnern und uns mit den Beteiligungen in unserm Ort auseinanderzusetzen. Wir wollen vor allem aber auch an sie erinnern, in dem wir ihre  Namen ins Bewusstsein bringen. Dies gilt auch für die zahlreichen Zwangsarbeiter, die in unser Dorf verschleppt wurden.


Die NSDAP ging auch gegen Opositionelle vor. Bereits im März 1933 kam es im Ort zu Hausdurchsuchungen nach einem angeblichen Maschinengewehr der Pfalzwacht, der Selbstschutzorganisation von Zentrum/BVP. Die NSDAP schürte die Angst, dass die Pfalzwacht zur Gewalt greifen würde. Der Geinsheimer Adam Niederer wurde aufgrund der Suche nach dem Maschinengewehr in das (frühe) Konzentrationslager Neustadt verschleppt. Im Juni 1933 war der vom Zentrum/BVP dominierte Gemeinderat „gleichgeschaltet“. Die Vereine folgten. Wieviele nicht-jüdische Geinsheimer und Geinsheimerinnen später in die Konzentrationslager verschleppt wurden oder im Gewahrsam der Gestapo festgehalten wurden, ist momentan nicht bekannt. Dies gilt es zu erforschen. 

 

Auch die sozialhygienischen und rassistischen Ideologien hatten ihre Auswirkungen in Geinsheim. Mehrere Bürger und Bürgerinnen wurden aus diversen Gründen sterilisiert, darunter ein kleines Mädchen, dessen Vater Thailänder war. Im Rahmen der „Euthanasie“ wurden zwei Frauen in der Heil- und Pflegeanstalt ermordet. Wir möchten auch ihre Geschichten – unter Berücksichtigung des Datenschutzes und der Wünsche der Familien – erzählen. 


Es ist wichtig, dass wir uns auch mit unserer Nachkriegsgeschichte auseinandersetzen und uns fragen, an wen wir gedacht haben und welche Erinnerungen wir bewahrt haben. Es ist bezeichnend, dass die Anerkennung der Kriegsdenkmäler jahrzehntelang ungehindert fortgesetzt wurde und dass das Bewusstsein für das Leid der NS-Opfer erst jetzt erwacht. Es ist unser Ziel, der Ermordeten zu gedenken und uns sichtbarer mit unserer NS-Geschichte auseinanderzusetzen. 

Rundgang

Wir beabsichtigen einen digitalen Rundgang für die Zeit von 1933-1945 zu erstellen, bei dem wir die Orte sichtbar machen wollen, 

- an denen Verfolgte gelebt und gearbeitet haben

- die durch die NS-Zeit für immer zerstört wurden. Dies trifft z.B. auf die jüdische Schule und Synagoge zu. Auch wenn diese in der Pogromnacht nicht abgebrannt wurde, wurde ihre Funktion zerstört, indem ihre Gemeinde vertrieben und ermordet wurde 

- an denen Zwangsarbeit stattfand

- wo es Widerspruch gab

- der NSDAP Parteigeschichte

- des Ausschlusses, wie die Schule der Gemeinde, die 1936 nicht mehr von jüdischen Kindern besucht werden konnte, weshalb Beate Pineles eine Sonderklasse in Neustadt besuchen musste. 

Der Nationalsozialismus und das Leben der Verfolgten hat sich nicht an einem Ort im Dorf abgespielt. Er war integrativer Bestandteil der Dorfgeschichte und prägt (auch heute noch) das ganze Dorf. Daher sollte auch das Gedenken dezentral sichtbar sein.

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